Die Kreuzzüge, die im Jahre 1095 mit dem Ausruf von Papst Urban II. in Clermont-Ferrand einsetzen, sind ein interkulturelles Phänomen par excellence. Als historische Erscheinung stellen sie sich vorwiegend als Konfrontation, aber auch als Kontaktmöglichkeit zwischen Kulturen dar. Als literarischer Stoff partizipieren sie am zeitgenössischen Literaturtransfer vom romanischen in den deutschsprachigen Kulturraum: Die mittelhochdeutsche Kreuzzugslyrik, die sich im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zum 3. Kreuzzug (1189) entwickelt, steht im Zeichen der um 1100 entstandenen okzitanischen Lyrik sowie der nordfranzösischen Lyrik, die um 1160 ihre Anfänge nimmt.
Im Seminar wollen wir mittelhochdeutsche Kreuzlieder lesen und interpretieren, indem wir sie einerseits in ihre interkulturellen Kontexte einordnen, andererseits die romanische Kreuzzugslyrik mit einbeziehen. Angefangen mit Friedrich von Hausen bis zu Walthers ,Palästinalied‘ nimmt der Literaturtransfer vielfältige Formen an, von der Übernahme von Konzeptionen, Motiven, Formulierungen, Formen und Melodien über ihre Verwandlung und Aneignung bis zur Distanzierung. Ihre Untersuchung ermöglicht eine differenzierte Perspektive auf die im Mittelpunkt der Kreuzzugslyrik stehende Thematik: auf die problematische Kombination von Minne- und Gottesdienst sowie auf die damit verbundenen Aspekte von Liebe, Fremdheit, Gewalt und Religiosität. Schließlich wird im Seminar die Überlieferung der Kreuzlieder in deutschen und romanischen Liederhandschriften berücksichtigt.
Textgrundlage: Kreuzzugsdichtung, hg. von Ulrich Müller, Tübingen, 1969 (Deutsche Texte 9) [mehrere Auflagen. Das Buch ist vergriffen, es werden Auszüge auf ILIAS bereitgestellt.]; Texte aus dem Projekt ‚Troubadours, Trouvères and the Crusades‘:
https://warwick.ac.uk/fac/arts/modernlanguages/research/french/crusades/
Literatur zur Einführung: Anthony Bayle (ed.), The Cambridge Companion to the Literature of the Crusades, Cambridge 2019; Haubrichs, Wolfgang : Kreuzzugslyrik, in: Harald Fricke u.a. (Hgg.), Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, Bd. 2, Berlin/New York 2000, S. 340–342; Klein, Dorothea: Kreuzlied, in: Beate Kellner, Susanne Reichlin und Alexander Rudolph (Hgg.), Handbuch Minnesang, Berlin 2021, S. 543–555.
Anmeldung: Bitte melden Sie sich in CMS und über ILIAS für das Seminar an.