Weiße Elefanten – technologische Großprojekte zwischen Traum und Alptraum Oetzel Mi 9.45-11.15 30.91-010
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Der König von Siam (Thailand) bedachte Höflinge, die in Ungnade gefallen waren mit einem außergewöhnlichen Geschenk: einem weißen Elefanten. Bei dem Versuch dieses symbol- und prestigeträchtige Tier in angemessener und gesellschaftlich akzeptierter Weise zu unterhalten, musste der Höfling sich zwangsläufig übernehmen. Da eine Rück- oder Weitergabe eines königlichen Geschenks unmöglich war, bedeutete dieses Geschenk den sicheren materiellen Ruin des Beschenkten. Im englischen Sprachgebrauch hat sich in kolonialer Tradition dieses scheinbare Geschenk, das in der Realität den sozialen Tod des Beschenkten verursachte, als Redewendung etabliert. Ein „white elefant“ bezeichnet eine Last, die Kosten verursacht, ohne dass jemals die Aussicht besteht, dass sich dieser Zustand ändert. Otto Keck und Dirk van Laak haben diese englische Redewendung auf technologische Großprojekte des 20.Jahrhunderts angewandt, bei denen trotz immensen Ressourceneinsatzes keine Form von Rentabilität zu erwarten ist. Trotz vielfacher einschlägiger Erfahrungen üben derartige technologische Großvisionen immer wieder eine ungeheuere Faszinationskraft auf Individuen, Gruppen oder ganze Gesellschaften aus. Aktuelle Diskussionen um den Berliner Flughafen, Stuttgart 21 etc. lassen grüßen. Der schweizerische Technikhistoriker David Gugerli formulierte in einer Rezension zu van Laak´s Monographie ein Erkenntnisinteresse, das auch dem Seminar zugrunde liegt: “Natürlich gibt es unzählige weiße Elefanten, die nie realisiert wurden. (..)Einige davon wurden jedoch wenigstens angefangen, gelangten ins Entwicklungsstadium oder erlebten gar einen mutigen Baubeginn, bevor sie an ihrer eigenen Größe zerbrachen. In solchen Fällen stellt sich im Nachhinein und angesichts der Verrücktheit der Vorhaben jeweils die Frage, warum es immer wieder dazu kommen kann, dass überdimensionale technische Projekte hinreichende kollektive Unterstützung erhalten. Warum kann der Schaden bisweilen nicht schon auf dem Papier gemessen werden?
Zur Vorbereitung:
Dirk van Laak: Weiße Elefanten. Anspruch und Scheitern technischer Großprojekte im 20. Jahrhundert. Stuttgart 1999
Otto Keck: A theory of white elephants. Asymmetric information in government support for technology. In: Research Policy , Volume 17, Issue 4 , 1988, S.187–201
Die Erreichung des Lernziels in meiner Veranstaltung bedingt die Anwesenheit, die dokumentiert wird. Bei mehr als zweimaligem Fehlen kann daher kein Leistungsnachweis erstellt werden.