Diskriminierung aus Sicht von Philosophie und Informatik (SS 2023)

Wenn Sie in ein Geschäft oder eine Behörde gehen und ein dortiger Angestellter sich allein aufgrund Ihrer Nationalität, Ihres Geschlechts oder Ihres ethnischen Hintergrundes weigert, Sie zu bedienen, so sind Sie Opfer einer widerrechtlichen Diskriminierung geworden. Aber was, wenn eine Bank oder eine Behörde aufgrund eines – oberflächlich betrachtet – diskriminierungsfreien Algorithmus‘ entscheidet und sich bei genauerer Prüfung herausstellt, dass die Negativentscheidungen einen überproportionalen Anteil von Leuten betreffen, die – genau wie Sie – bestimmte geschützte Merkmale (protected characteristics) tragen? Solche Fälle sind oftmals nicht einfach zu beurteilen. Eine Prognosesoftware für die Rückfallwahrscheinlichkeit von Straftätern (PRS) hat in den USA deutlich mehr falsche Positive für black defendants und deutlich mehr falsche Negative für white defendants produziert. Ob dies einen Fall von widerrechtlicher oder moralisch falscher Diskriminierung darstellt, wurde in der Fachliteratur kontrovers erörtert. So ist argumentiert worden, dass unterschiedliche einschlägige und plausible Standards für Fairness inkompatibel sind. Wie lässt sich in solchen Fällen ohne Willkür entscheiden, ob eine Prozedur diskriminierend ist oder nicht? Mit Fragen wie diesen möchten wir uns in dem Seminar aus Sicht von Ethik und Informatik beschäftigen. Unter „Ethik“ verstehen wir die systematische Analyse sowie argumentative Begründung oder Zurückweisung von präskriptiven Sätzen und wertenden Ausdrücken. Beispiele für Ausdrücke, die im allgemeinen Sprachgebrauch eine Negativwertung vermitteln, sind „Gutmensch“, „menschenverachtend“, „Diskriminierung“. Beispiel für einen präskriptiven Satz ist: „Die Software Y ist diskriminierend gegenüber X-Men und muss daher verboten werden!“ In der Ethik-Debatte über den Begriff Diskriminierung geht es um Fragen wie: Unter welchen Bedingungen stellt eine ungleiche Behandlung verschiedener Leute Diskriminierung dar? Ist es beispielsweise diskriminierend, wenn eine Lungenklinik grundsätzlich keine Raucherinnen und Raucher anstellt oder wenn Leute, die als weniger hübsch empfunden werden, weniger verdienen als Leute, die als hübscher gelten (Lippert-Rasmussen 2015, 207)? Lässt sich von Diskriminierung sprechen, ohne dass jemand die Absicht hat oder hatte, Leute aufgrund geschützter Merkmale zu benachteiligen? Ist Diskriminierung immer ungerecht; ist Diskriminierung per definitionem moralisch falsch? Ist es Diskriminierung, wenn eine Person eine bestimmte Art von Leuten (aufgrund von unprotected properties) nicht leiden kann und deshalb nicht mit Leuten von dieser Art kooperiert? Welche Formen von Diskriminierung sind zu unterscheiden und aufgrund welcher Eigenschaften sind sie pro tanto falsch?

Veranstaltungsdaten

Ort
30.91 Raum 010
Termin
Mo, 14:00 - 15:30

Zusammenfassung

Wenn Sie in ein Geschäft oder eine Behörde gehen und ein dortiger Angestellter sich allein aufgrund Ihrer Nationalität, Ihres Geschlechts oder Ihres ethnischen Hintergrundes weigert, Sie zu bedienen, so sind Sie Opfer einer widerrechtlichen Diskriminierung geworden.
Aber was, wenn eine Bank oder eine Behörde aufgrund eines – oberflächlich betrachtet – diskriminierungsfreien Algorithmus‘ entscheidet und sich bei genauerer Prüfung herausstellt, dass die Negativentscheidungen einen überproportionalen Anteil von Leuten betreffen, die – genau wie Sie – bestimmte geschützte Merkmale (protected characteristics) tragen?
Solche Fälle sind oftmals nicht einfach zu beurteilen.
Eine Prognosesoftware für die Rückfallwahrscheinlichkeit von Straftätern (PRS) hat in den USA deutlich mehr falsche Positive für black defendants und deutlich mehr falsche Negative für white defendants produziert. Ob dies einen Fall von widerrechtlicher oder moralisch falscher Diskriminierung darstellt, wurde in der Fachliteratur kontrovers erörtert. So ist argumentiert worden, dass unterschiedliche einschlägige und plausible Standards für Fairness inkompatibel sind. Wie lässt sich in solchen Fällen ohne Willkür entscheiden, ob eine Prozedur diskriminierend ist oder nicht?

Mit Fragen wie diesen möchten wir uns in dem Seminar aus Sicht von Ethik und Informatik beschäftigen. Unter „Ethik“ verstehen wir die systematische Analyse sowie argumentative Begründung oder Zurückweisung von präskriptiven Sätzen und wertenden Ausdrücken. Beispiele für Ausdrücke, die im allgemeinen Sprachgebrauch eine Negativwertung vermitteln, sind „Gutmensch“, „menschenverachtend“, „Diskriminierung“. Beispiel für einen präskriptiven Satz ist: „Die Software Y ist diskriminierend gegenüber X-Men und muss daher verboten werden!“
In der Ethik-Debatte über den Begriff Diskriminierung geht es um Fragen wie: Unter welchen Bedingungen stellt eine ungleiche Behandlung verschiedener Leute Diskriminierung dar? Ist es beispielsweise diskriminierend, wenn eine Lungenklinik grundsätzlich keine Raucherinnen und Raucher anstellt oder wenn Leute, die als weniger hübsch empfunden werden, weniger verdienen als Leute, die als hübscher gelten (Lippert-Rasmussen 2015, 207)? Lässt sich von Diskriminierung sprechen, ohne dass jemand die Absicht hat oder hatte, Leute aufgrund geschützter Merkmale zu benachteiligen? Ist Diskriminierung immer ungerecht; ist Diskriminierung per definitionem moralisch falsch? Ist es Diskriminierung, wenn eine Person eine bestimmte Art von Leuten (aufgrund von unprotected properties) nicht leiden kann und deshalb nicht mit Leuten von dieser Art kooperiert? Welche Formen von Diskriminierung sind zu unterscheiden und aufgrund welcher Eigenschaften sind sie pro tanto falsch?

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