5013017 - Schwarze Romantik [NDL I]
Im literaturwissenschaftlichen Diskurs nachhaltig verankert wurde der Begriff der ›schwarzen Romantik‹ durch Mario Praz' Studie "Liebe, Tod und Teufel" (1930). Gefasst wird damit weniger eine Strömung innerhalb der literaturhistorischen Epoche der Romantik. Vielmehr geht es um Motive und Motivkomplexe, in denen eine von tiefen Weltzweifeln und Ambivalenzen geprägte Geisteshaltung zum Ausdruck kommt und die das Gewebe der dichterischen und künstlerischen Imagination bis heute durchwirken. ‚Schwarzromantische‘ Lektüren führen immer wieder am schmalen Grat zwischen Traum und Wirklichkeit, zwischen Wahnsinn und Ratio, zwischen Leben und Tod entlang; hin zu nächtlichen Heimsuchungen, zu unaussprechlichen Ängsten und Lüsten mitsamt ihren typischen Inkarnationen wie Femmes fatales, Vampiren, Gespenstern und Doppelgängern; aber auch zu magisch aufgeladenen Dingen, okkulten Praktiken und namenlosen Wesen kosmischen Schreckens. So unternimmt man letztlich Reisen in die Abgründe des Menschseins bis an die Grenzen des Sagbaren. Bestückt ist die Lektüreliste mit Erzählungen von Ludwig Tieck, E. T. A. Hoffmann, Mary Shelley, Joseph Sheridan Le Fanu, Edgar Allan Poe, Guy de Maupassant, Ambrose Bierce, Rudyard Kipling, Arthur Conan Doyle, Arthur Schnitzler, Robert Musil und H. P. Lovecraft. Ergänzend werden zwei Filme aus dem 20. und 21. Jahrhundert herangezogen. Neben guten Nerven setzt das Seminar eine Bereitschaft für die Beschäftigung mit literatur- und kulturtheoretischen Ansätzen voraus, die für die Diskussion der Primärtexte fruchtbar gemacht werden sollen. Hierzu gehören etwa Freuds Konzept des Unheimlichen (1919), Todorovs Theorie der Fantastik (1970) sowie kurze Auszüge aus Horkheimers und Adornos "Dialektik der Aufklärung" (1944), Jacques Derridas "Grammatologie" (1967) und Hartmut Böhmes "Fetischismus und Kultur" (2006). Eine Exkursion ins Städel Museum, Frankfurt a. M. ist ebenfalls geplant.